Haftung im PJ – ein Interview mit Rechtsanwalt Patrick Weidinger

Studierende im PJ stehen vor einer großen Herausforderung. Sie sind noch keine ausgebildeten Ärzte, sollen aber praktische Erfahrungen in der Patientenversorgung sammeln. Brenzlig wird es, wenn hierbei ein Fehler unterläuft. Haben PJ-ler im Schadenfall rechtliche Konsequenzen zu fürchten? Und worauf sollten sie bei der Ausführung ärztlicher Tätigkeiten achten?


Die Redaktion führte hierzu ein Gespräch mit Rechtsanwalt und Haftpflichtspezialisten Patrick Weidinger.
 
Redaktion:
Herr Weidinger, viele Medizinstudierende im Praktischen Jahr sind der Ansicht, dass sie während der Ausbildung einem Patienten gegenüber nicht haften. Ist das richtig?

Patrick Weidinger: Das ist leider ein Irrtum. Jeder – Sie, ich, ein Arzt und eben auch ein Studierender im PJ – haftet einem Geschädigten gegenüber persönlich für Schäden, die er diesem zugefügt hat. Deshalb wird in Haftungsprozessen auch immer der PJ-ler mitverklagt, wenn ihm etwas vorzuwerfen ist.

Redaktion: Und dass der PJ-ler an die Weisungen seiner Vorgesetzten gebunden ist, spielt da keine Rolle?

Patrick Weidinger: Im Verhältnis zum Patienten jedenfalls dann nicht, wenn der PJ-ler einen Fehler gemacht hat. Dem Geschädigten ist es egal, welche Zuständigkeiten jemand besitzt. Im Falle einer schuldhaften Schädigung möchte er Schadenersatz erhalten. Genau so sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch auch vor.

Redaktion: Können Sie mir hierzu einen Beispielfall nennen?

Patrick Weidinger: Im vergangenen Jahr verhandelte das Landgericht Mainz einen Fall, in den eine PJ-lerin involviert war. Die Studentin hatte einer Patientin postoperativ Propofol aus einer nicht gekennzeichneten Flasche verabreicht. Daraufhin fiel die Frau ins Koma. Das Gericht verurteilte die PJ-lerin neben anderen Beteiligten zu mehreren hunderttausend Euro Schadenersatz.

Redaktion: Was wurde der Studentin vorgeworfen?

Patrick Weidinger: Genau das, was typischerweise zu Haftungssituationen führt: Das Handeln auf eigene Faust. PJ-ler sind Auszubildende, die nur auf Anweisung handeln dürfen und bei geringstem Zweifel nachfragen müssen. Im vorliegenden Fall hatte die Studentin aus der Dokumentation „Infusionsrest auch OP“ geschlossen, dass eine im OP verbliebene Flasche zum erneuten Infundieren der Patientin genutzt werden sollte. Im Tropf befand sich jedoch noch Propofol, was einen Atem- und Kreislaufstillstand hervorrief. Es gelang dem Notarzt, die Patientin zu reanimieren, seither befindet sie sich aber im Wachkoma.
 

Redaktion: Der PJ-ler kann dem Patienten also auf Schadenersatz, d.h. auf finanzielle Wiedergutmachung haften. Können Studierende auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden?

Patrick Weidinger: Natürlich. Im Strafrecht gibt es die Tatbestände der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung. Und die gelten grundsätzlich für jeden. So hat das Landgericht Bielefeld im Jahr 2013 einen PJ-ler wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Er hatte einem Säugling ein oral zu gebendes Medikament venös verabreicht.

Redaktion: Und wie können sich Medizinstudierende gegen Schadenersatzansprüche oder Strafverfahren schützen?
 
Patrick Weidinger: An allererster Stelle sollten Studierende natürlich Sorge tragen, dass erst gar nichts passiert. Dazu gehört, dass PJ-ler aktiv eine ausreichende Einarbeitung und Ausbildung einfordern und bei allen Unklarheiten sofort nachfragen. Außerdem müssen immer die Namen der erreichbaren Ansprechpartner erfragt und Informationen über das Notfallprozedere eingeholt werden. Besonders wichtig ist es auch, zu verinnerlichen, dass man als Studierender nicht behandeln darf. Handlungsanweisungen müssen genauestens abgesprochen werden. Ahnt der PJ-ler, dass ihn ein Auftrag überfordert, sollte er dies zur Sprache bringen und die Ausführung gegebenenfalls ablehnen. Sehr wichtig ist es auch, so viel wie möglich zu dokumentieren. Jüngst hatte ich einen Fall, in welchem eine PJ-lerin eine Wundspülung vornahm und später alle Beteiligten bestritten, ihr diesen Auftrag erteilt zu haben.

Redaktion: Und wie kann sich ein Studierender im PJ versicherungstechnisch schützen?

Patrick Weidinger: Also ich persönlich würde ja immer eine PJ-Haftpflicht abschließen. Dann brauche ich mir nämlich keinen Kopf zu machen und bin stets auf der sicheren Seite. Ansonsten kann man auch prüfen, ob und inwieweit man über das ausbildende Haus versichert ist, insbesondere für Fälle des Zivil- und des Strafrechts und mit einer Versicherungssumme von 5 Millionen Euro. Es ist empfehlenswert, sich eine solche Versicherung von der Ausbildungsanstalt schriftlich bestätigen zu lassen. Fehlt ein notwendiges Versicherungs­element, und das muss man natürlich prüfen oder prüfen lassen, ist eine spezielle PJ-Haftpflicht­versicherung sinnvoll. Sie bietet Schutz, wenn keine Betriebshaftpflicht­versicherung des Lehrkrankenhauses besteht, ein  Wechsel des Lehrkrankenhauses zu einem Versicherungswegfall führt oder ein Strafverfahren eingeleitet wird. Auch wenn die Schadenbearbeitung durch auf Arzthaftpflicht spezialisierte Juristen des Versicherers erfolgen soll, empfiehlt sich eine PJ-Haftpflicht. Denn hierauf besteht bei einer normalen Privathaftpflicht­versicherung – etwa, wenn der PJ-ler noch bei den Eltern mitversichert ist – in der Regel kein Anspruch.